Er war einer der Großmeister der Fotografie. Helmut Newton - elegant, verspielt, erfinderisch, provokativ, inspirierend - und inspiriert durch scharfe Beobachtungen und tiefe Kindheitswurzeln im Berlin der Goldenen Zwanziger. Berlin war seine Stadt – und er war Berlin. Aber er war auch ein Kosmopolit.
Anlässlich des 100. Geburtstags von Helmut Newton im Jahr 2020 erzählt Gero von Boehms Dokumentarfilm HELMUT NEWTON - THE BAD AND THE BEAUTIFUL nicht nur die berührende Lebensgeschichte des in Berlin geborenen jüdischen Fotografen, sondern er wirft dabei einen besonderen Blick auf sein nicht unumstrittenes Oeuvre. Im Film kommen außer dem einzigartigen Frauen-Porträtisten Helmut Newton ausschließlich Frauen zu Wort: Marianne Faithfull, Claudia Schiffer, Charlotte Rampling, Grace Jones, Nadja Auermann, Isabella Rossellini, Anna Wintour, seine Ehefrau June Newton, aber auch Kritikerinnen wie Susan Sontag oder Hanna Schygulla
Wie haben Sie Helmut Newton kennengelernt?
Getroffen haben wir uns zum ersten Mal bei gemeinsamen Freunden in Paris, das muss etwa 1997 gewesen sein. Wir haben uns damals auf Anhieb verstanden und entdeckten, dass wir einen sehr ähnlichen Humor hatten, den gleichen Sinn für skurrile Situationen. Und ich mochte sofort seine Frau June, vielleicht auch, weil ich - wie Helmut - intelligente und starke Frauen sehr gern habe. Wir haben uns dann ein paarmal in Monte Carlo gesehen und vor allem auch in Berlin, das er so liebte.
Worüber sprachen Sie, wenn Sie sich trafen?
Über alte deutsche Filme, über Musik, über die Novellen von Arthur Schnitzler. In Monte Carlo, wo er wegen der Steuer und des Wetters lebte, haben wir manchmal zusammen Leute beobachtet, dieses teilweise bizarre Publikum dort, und wir haben ein bisschen gelästert. Er war ja ein Voyeur im besten Sinne. In Berlin hat er mir viel erzählt von seiner Jugend in der Stadt, in den 1920er und 1930er Jahren, von seinen Freunden, von der wunderbaren Mode-Fotografin Yva, bei der er gelernt hatte und dann natürlich von der Zeit nach der Machtergreifung durch die Nazis. Wie gefährlich es für ihn als Jude war, wie er sich nachts in Kellern versteckt hat und dann schließlich, im Dezember 1938, einen Monat nach den schrecklichen Pogromen, aus Berlin geflohen ist. Er hat mir den Bahnsteig gezeigt, von dem er den Zug nahm, um auf ein Schiff nach China zu gelangen. Und irgendwann dachte ich natürlich: Über diesen Mann muss man einen Film machen. Dann hat es nochmal eine Weile gedauert, bis ich ihn und vor allem auch June von diesem Projekt überzeugt hatte. Sie war ja äußerst protektiv, und er war eigentlich ein sehr privater Mensch. Aber irgendwann sagten sie: „You have our blessing.“ Dann haben wir in Monte Carlo, in Paris, in Berlin und in Hollywood gedreht und schließlich kam ein Fernsehporträt für ZDF/Arte „Helmut Newton – mein Leben“ dabei heraus. Aber ich hatte noch viel unveröffentlichtes Material, das jetzt in den Kinofilm eingeflossen ist, ebenso wie Video-Aufnahmen, die June über Jahre von Helmut gemacht hat. Und dann natürlich das große Glück, mit der Helmut Newton Foundation eng zusammenzuarbeiten und über das gesamte Bildarchiv verfügen zu können.